Dr. Nicola Buckenmaier

Spitzwegs Der arme Poet – Symbol für das romantisierte Künstlerbild fern wirtschaftlicher Realität“

Vision

Genie oder Geschäftsmodell?

Warum Unternehmertum zur Musik gehört – damals wie heute.

Schluss mit dem Mythos!

Der Musiker als zartbesaitete Seele – die sich aus göttlicher Eingebung speist und fern jeder profanen Realität engelsgleiche Musik auf Erden zaubert.
Klingt schön. Ist aber ein Mythos.

Was, wenn Musiker:innen gar keine weltfremden Genies waren, sondern schon immer auch strategisch denkende Macher:innen?

Und was, wenn der Geniekult des 19. Jahrhunderts nur eine clevere Marketingstrategie war?

In diesem Artikel geht es darum, genau das offenzulegen:

Die romantische Erzählung zu hinterfragen – und zu zeigen, warum unternehmerisches Denken für Musiker:innen heute wichtiger ist denn je.

Der Geniekult als clevere Marketingstrategie

Im 19. Jahrhundert wurde eine der wirksamsten Marketingstrategien der Kulturgeschichte etabliert: Das Bild des leidenden Genies, das ganz für seine Kunst lebt, fern jeder ökonomischen Absicht.

Dieses Ideal wurde über Bücher, Briefe, Theaterstücke, Opern und Kunstwerke verbreitet – oft mit dem Ziel, Kunst vom „Niederen“ des Marktes abzuheben.

Auf diese Weise entstand ein künstlicher USP: Das einzigartige, unnachahmliche Genie.

Doch dieses Bild war nie die ganze Wahrheit. Es war Teil einer Inszenierung, die dem Werk und Künstler eine höhere Aura verlieh. Das Genie musste leiden, arm sein, unverstanden – damit seine Kunst umso reiner erschien.
Ein starkes Narrativ. Aber kein realistisches.

Ein historischer Realitätscheck

Joseph Haydn
Haydn war nicht nur Komponist, sondern auch ein Vertragstaktiker: Er ließ seine Werke bewusst in mehreren Ländern gleichzeitig verlegen – und verhandelte parallel mit Londoner und Wiener Verlegern.
Für seine berühmten „Londoner Sinfonien“ reiste er selbst nach England – mit Honorarvorschuss, Werbewirkung und Publikumsaufbau im Gepäck.
Fanny Hensel (geb. Mendelssohn)
Schuf sich in Berlin eine eigene Öffentlichkeit: In ihrem Gartenhaus organisierte sie Konzerte, stellte Programme zusammen, lud gezielt Persönlichkeiten aus Kultur und Politik ein – und spielte darin eigene Werke. Sie agierte wie eine kuratierende Veranstalterin – in einer Zeit, in der für Frauen keine Komponistinnenkarriere vorgesehen war.
Franz Liszt
Inszenierte sich als erste ‚Marke‘ der Musikwelt: Er reiste mit eigenem Klavier, kündigte Tourneen frühzeitig in Zeitungen an, und liess sich im Profil zeichnen – langes Haar, Seidenmantel, Bühnenpose. Was wir heute ‚Selbstvermarktung‘ nennen, war bei Liszt ein Gesamtkunstwerk aus Musik, Bild, Aura und medialer Präsenz.

FAZIT: Unternehmerisches Denken war kein Widerspruch – nicht einmal in jener Zeit, in der der Geniekult überhaupt erst geprägt wurde. Im Gegenteil: Es war oft eine Grundvoraussetzung – neben der musikalischen Expertise – für Wirkung, Sichtbarkeit und wirtschaftlichen Erfolg.

Ich will einfach nur musizieren –
den Rest sollen andere machen.

Und heute?

Viele Musiker:innen von heute tragen noch immer das alte Ideal mit sich herum:

Doch die Welt hat sich geändert. Selbstbestimmung braucht heute mehr als Talent: Sie braucht Haltung, Klarheit und Werkzeuge. Wer nicht selbst handelt, wird verwaltet. Oder schlicht übersehen.

Was Unternehmertum wirklich bedeutet.

Nein, es geht nicht um glossy PowerPoint, Aktienkurse oder das Eckbüro.

Sondern um etwas viel Tieferes:

  • Vision entwickeln: Wofür stehst Du musikalisch – und warum?

  • Mut zeigen: Was würdest Du wagen, wenn Du nicht ständig an mögliche Reaktionen, Ablehnung oder Scheitern denken würdest?

  • Selbstverantwortung übernehmen: Wer soll es tun, wenn nicht Du?

  • Netzwerke aufbauen: Wer kennt Deine Arbeit – und wer sollte sie dringend kennenlernen?

Fazit: Schluss mit dem Entweder - Oder.

Kunst und Unternehmertum schliessen sich nicht aus. Im Gegenteil: Sie stärken einander.

Denn kreative Freiheit entsteht nicht im luftleeren Raum – sondern durch Struktur, Klarheit und Entscheidungskraft.

Es ist Zeit, das Genie vom Podest zu holen – und die Künstler:innen von heute zu stärken.

Praxistipp:
Nimm Dir 10 Minuten Zeit und beantworte schriftlich:
„Wo habe ich in meinem bisherigen musikalischen Leben schon unternehmerisch gehandelt, ohne es so zu nennen?“
Du wirst staunen, wie viel in Dir steckt.

Du bist nicht allein mit Deinen Fragen.
Hol Dir Rückhalt, Austausch & Rückenwind – in der Community Karriereportal Musik.